Lentina

Mein liebes Tinchen,

 

als ich vergangenen Samstag in der Küche von Friedegard, deiner neuen „Mama“, stand und der Abschied nahte, hatte ich spontan das Gefühl, ich kann nicht mehr Pflegestelle sein. Das Gefühl ist jedoch zum Glück ganz schnell wieder vergangen, und das hat zwei – gute – Gründe:

 

  1. Pflegestelle sein ist so schön!!! Man lernt immer wieder wunderbare Hunde kennen (und lieben) und darf ihnen den Weg in eine glückliche Zukunft ebnen, zudem ergeben sich nicht selten dauerhafte Kontakte mit Menschen, die auf derselben Wellenlänge unterwegs sind, und
  2. mein Tinchen, alle Beteiligten haben wie immer ihr Bestes gegeben und ein wirklich traumhaftes Zuhause für dich gefunden.

 

 

Tinchen, du bist „schon“ acht Jahre alt, und ohne Zweifel waren darunter mindestens sechs schlimme. Anhand des Chips steht fest, daß du spätestens 2015 ins berüchtigte Canile E gelangt bist. Angeblich bist du 2013 geboren. Ob dich (d)eine „Familie“ dort abgegeben hat oder ob du auf anderem Wege dort hin mußtest, wir werden es nie erfahren. Großflächige Narben belegen, daß du viel gelitten hast. Um so erstaunlicher, und ich bewundere dich und deine Stärke (neudeutsch Resilienz?) dafür, daß du dein absolut sonniges Gemüt bewahrt hast.  Du bist nach dem langen Transport fröhlich in meinem Haus herum spaziert, hast dir alles angeschaut und fühltest dich sofort wohl. Du warst wie praktisch alle erwachsenen Pflegeschätze sofort stubenrein, du hast vor gar nichts Angst und findest alles und alle Zwei- und Vierbeiner toll. Sogleich wurde eine deiner hervorstechendsten Eigenschaften erkennbar: Neugier! Wie traurig, daß ein so interessiertes kleines Wesen einen großen Teil seines Lebens auf wenigen Quadratmetern Trostlosigkeit vergeuden mußte. Aber genug gejammert, das ist vorbei, deine Zukunft ist so was von rosig!

 

 

 

Vor vielleicht zehn Tagen bekam ich die Anfrage von Friedegard, und es schien alles zu passen. Ich war wegen einer entspannt verlaufenen Begegnung auf der Straße sehr sicher, daß du eine Katzenfreundin bist, trotzdem lieferten vorab zwei hundeerfahrene Siamkatzen den sicheren Beweis, daß du Katzen magst (Danke, Julia!). Damit stand dem ersten Kennenlernen nichts entgegen. Deine neue „Mama“ war, wie könnte es auch anders sein, sofort von dir verzaubert, die Chemie stimmte auf beiden Seiten. Friedegard hatte bis vor etwa zwei Jahren eine etwas kapriziöse jagdbegeisterte Terrierdame namens Lilly, und sie konnte kaum glauben, wie sanft und rundum pflegeleicht du bist. Du ziehst nicht an der Leine, du kommst mit allen anderen Hunden aus, einfach perfekt. Und du bist so bildschön! Du hast ein Welpengesicht mit Kajalaugen, eine Topmodel-Figur, besser geht nicht.

 

Tinchen, ich vermisse dich, du mich hoffentlich nicht! Ich hörte, daß du nach unserer Abreise unruhig warst und leise geweint hast. Da du eine ganz ganz liebevolle neue Mama hast, die dir den Himmel auf Erden bereitet, wirst du dein neues Leben in vollen Zügen genießen. Dort bist du die einzige bellende Prinzessin, mit der miauenden Prinzessin kommst du bestens klar, ihr habt schon am ersten Morgen nebeneinander aus euren Näpfen gefuttert, und angeblich gefällt es euch beiden in Mamas Bett am besten. Und natürlich im super gesicherten Garten! Tinchen, du hast den Sechser im Lotto erwischt, und du, Friedegard, auch. So habe ich mir das neue Zuhause für mein Tinchen vorgestellt.

 

 

 

Tinchen wohnt jetzt in Nordhorn und trägt, da ihre miauende Mitbewohnerin Tia heißt, den schönen Namen Sanna. Tinchen Sanna, wir werden uns wiedersehen! Dafür ist kein Weg zu weit, und bestimmt nicht der nach Nordhorn!!! Und wie es aussieht, ließe sich die Reise mit Abstechern zu anderen ehemaligen Pflegeschätzen verbinden – Juhu! Ich bleibe auf jeden Fall Pflegestelle!!!