CANILE EUROPA – DIE OPFER. WIR KLAGEN AN!

Wir setzen unseren Bericht über das unsagbare Leid der Hunde im Canile fort. Stellvertretend für alle, die dort noch ausharren müssen, erzählen wir Euch die Geschichte derer, die wir retten konnten. Denn auch wenn sie nun in Sicherheit sind, tragen sie nicht nur seelische Wunden. Was sie allein an körperlichen Qualen jahrelang erdulden mussten, ist fast jenseits aller Vorstellungskraft…

Behutsam, Schritt für Schritt, müssen wir nun retten, was zu retten ist. Wie immer, benötigen wir Euch und Eure Hilfe – ohne die schaffen wir es nicht. Es geht generell um diejenigen unserer Schützlinge, die entweder noch auf HOPE sind oder künftig dort hinkommen und die Hunde, die bereits auf einer Pflegestelle in Deutschland sind. Damit Ihr noch einmal deutlich seht, womit wir es oft zu tun haben, zeigen wir Euch ein paar Beispiele. Es betrifft aber weit mehr Hunde als die, die wir hier stellvertretend zeigen.

Gretchen ist 12 Jahre alt, war ewig im Canile Europa kaserniert und so verwahrlost, dass sie trotz intakter Augen vor lauter Filz nichts sehen konnte. Panische Angst vor Menschen, Flucht ihre einzige Idee. Das spricht Bände. Auf HOPE angekommen, haben wir uns in mehreren Sitzungen grob durch die Verfilzungen durchgearbeitet. Dies war nur bedingt möglich, weil Gretchen vor Stress und Panik immer wieder fast kollabierte und wir natürlich abbrechen mussten. Auch uns ging es dabei nicht gut, weil wir während der Entfernung der Filzplacken entdeckten, dass die Ärmste einen regelrechten Sack aus Filz mit massiven Koteinlagerungen im Analbereich hatte. Klartext: Wenn sie Kot absetzte, fiel dieser nicht zu Boden, sondern wurde immer wieder von dem Filz aufgefangen. Nur durch Urinieren wurde ein Teil des Kots ausgeschwemmt. Dennoch hatte sie das Glück, von einer ganz tollen Familie, die bereits Hunde von uns adoptiert hat, ohne Wenn und Aber übernommen zu werden. Direkt nach ihrer Ankunft in Deutschland hatte Gretchen aufgrund ihres jämmerlichen Zustands einen Arzttermin. Rötlicher Urin rann aus ihr heraus, ebenso der Durchfall. Die Zähne schwarz verrottet, ihr Atem rasselnd. So vegetierte sie unbestimmte Zeit im Canile und niemanden kümmerte es.

Das Ärzteteam der Adoptanten hat Gretchen unter Sedierung von Unmengen stinkendem, fäkaliengetränktem Filz befreit. Allein das ist schon eine unsagbare Erleichterung, denn jetzt kann endlich der von den Fäkalien wunde After abheilen. Haut, Ohren und Herz sind ok. Ihre Zähne müssen saniert werden, sobald das Ergebnis des Mittelmeerchecks und ein Blutbild vorliegen, damit das Narkoserisiko richtig eingeschätzt werden kann. Gretchen wird nun liebevoll gepäppelt und aus dem erbärmlichen, zotteligen Wischmopp hat sich eine sehr hübsche, noch etwas ängstliche Seniorin herausgeschält, die ihre Würde wieder erlangt hat. Ohne ihre neue Familie wäre Gretchen jämmerlich und qualvoll gestorben.

Flirt  ist seit dem 25.01. auf ihrer Pflegestelle. Uns ist bereits im Canile Europa aufgefallen, dass sie einen Hinterlauf nicht aufsetzt und herumhoppelt. Genau deshalb musste sie unbedingt dort heraus. Die hübsche Maus wurde gleich einem Tierarzt vorgestellt und geröntgt. Diagnose: Doppelter!! Oberschenkelbruch. Flirt muss unsägliche Schmerzen erduldet haben. Der Bruch ist alt und schon sehr lange schief zusammengewachsen. Heute schränkt sie das nicht mehr ein, sie hat sich damit arrangiert und ist schmerzfrei. An so alte Brüche geht man nicht mehr heran; das Bein ist ca. 5 cm kürzer. Dies zu richten, würde mindestens 6-7 Monate postoperative Schmerzen, langfristige Ruhigstellung des Beins und Physiotherapie bedeuten. Die Tierärzte raten von einer solchen (für den Hund unbegreiflichen) Mammuttherapie ab. Man muss sich jedoch vor Augen halten, wie es Flirt in den ersten Wochen nach ihrem Doppelbruch ergangen ist, ohne dass sich jemand von ihrem Weinen erweichen ließ… Ursache ist übrigens ihr Gehege. Allzu leicht können die Hunde dort hängenbleiben, sich einklemmen etc. Auch dies nimmt man billigend in Kauf im Canile Europa.

 

 Orietta wurde als Welpe überfahren und brach sich dabei den Vorderlauf. Na und? Das hinderte bei Einlieferung keinen der dort Beschäftigen, den Welpen gnadenlos in einen Zwinger zu stecken und von außen abzuschließen. Ein schreiender Welpe mehr oder weniger fällt – bei damals ca. 1.000 Hunden – sowieso nicht auf. Und stören tut es auch keinen. Wir haben Orietta, die am 25.01. auf ihre deutsche Pflegestelle gereist ist, vor dem Transport auf HOPE erlebt. Sie hat definitiv ständig Schmerzen. Der Termin in der Klinik ist für nächste Woche anberaumt und wir werden auf ihrer Vermittlungsseite dann weiter berichten.

Berti wurde 2008 geboren und ist seit 2010 im Canile eingesperrt. Vernachlässigt, verwahrlost und apathisch liegt er auf einer erbärmlichen Holzpalette, scheint sich aufgegeben zu haben. Was uns erschüttert, aber nicht überrascht. Seine Rettung läuft aktuell auf Hochtouren, denn bis wir die Hand auf einen Hund legen können, gibt es zahlreiche bürokratische Hürden zu meistern. Wobei die Zeit auf Sardinien anders tickt als bei uns. Bilder sagen mehr als Worte – wir hoffen sehr, dass wir nicht zu spät sind und Berti noch so lange durchhält, bis wir ihn zumindest auf HOPE in Sicherheit bringen können. Dann braucht er medizinische Versorgung, Patenonkel –und Tanten sowie ein liebevolles Zuhause. Aber vorläufig geht es ums nackte Überleben…Wenn Ihr ihn demnächst als Notfall in der Vermittlung seht, hat er es geschafft. Wir bleiben dran und halten Euch auf dem Laufenden.

Update 11.2.2020:

BERTI – DIE GRAUSAME WAHRHEIT IST…

 

dass er immer noch im Canile hockt und wir hilflos auf die Hiobsbotschaft warten, dass er vielleicht gestorben ist! Jeden Tag bekommen wir viele Nachfragen, wie es ihm geht. Ob er schon auf HOPE ist. Und jeden Tag müssen wir sagen: Nein, wir haben ihn noch nicht. Warum?? Nun, wir bekommen einfach keinerlei Information oder gar grünes Licht für Berti: Sowohl ein Richter als auch die jeweils zuständige Gemeinde müssen schriftlich zustimmen, bevor ein Hund das Canile verlassen darf. Täglich fragen wir über unsere sardischen Kollegen via E-Mail, Telefon oder WhatsApp nach. Und täglich ist das Ergebnis, dass die betreffende Gemeinde nicht antwortet. Man hat einfach keinerlei Interesse an dem schwer kranken Berti. Er befindet sich seit Wochen auf der Krankenstation, in dieser nackten Zelle - ohne Tageslicht - und vegetiert auf der Palette vor sich hin. Ohnmächtig müssen wir praktisch zusehen, wie er schwindet. Wir werden Berti nicht aufgeben, müssen aber inzwischen damit rechnen, dass unsere Hilfe eventuell zu spät kommt…

Berti, nun bist du endlich raus aus dem Canile ...

 

Und ganz sicher an einem besseren Ort, denn dort gehören Engel hin. Du wusstest es zwar nicht, kleiner Mann, aber sehr, sehr viele Menschen haben um dich gebangt, mit dir gelitten und geweint, für dich gekämpft.

Dennoch haben wir verloren. Nicht nur dich, sondern auch den Kampf gegen das System. Wir bleiben fassungslos und betroffen zurück, denn du hast dich gestern - am 20.2.2020 - auf leisen Pfoten davongemacht. Wir sind unendlich traurig, dass wir dir deine Würde nicht wiedergeben und dich medizinisch versorgen konnten.

Du hattest sogar schon jemanden, der hier voller Liebe auf dich wartet…

Das Leben ist nicht fair.

 

Kein Tag, an dem wir nicht auf allen uns möglichen Wegen nachgefragt, gebohrt und gequengelt haben, wann wir dich nach HOPE holen und pflegen dürfen. Telefonisch, per E-Mail und WhatsApp. Vergeblich. Unsere sardische Kollegin Claudia war zwar in Urlaub, saß dennoch in den Startlöchern und hätte alles stehen und liegen lassen, um dich innerhalb 2 Stunden abzuholen. Sie hatte sogar versucht, dir eine warme Decke zukommen zu lassen, damit du nicht auf dieser nackten Palette liegen musst. Dies wurde nicht gestattet…

 

Weil du so ausgemergelt aussahst auf den Bildern, hatten wir schon spezielle, kalorienreiche Schonkost bereitgestellt, wollten dich auf Daunen betten in einem weichen Korb, ein Mäntelchen für den Freilauf lag bereit. Nur du fehltest noch. Und nun bist du gegangen, ganz still und allein statt mit jemandem, der dich hält und streichelt. Wir sind trotz intensiver Bemühungen gescheitert.

 

Wer auf Sardinien Hundeleben retten will, muss sich von jeglichen deutschen Maßstäben und Einstellungen verabschieden. Muss akzeptieren, was inakzeptabel ist. Wir könnten hier weit ausholen, möchten aber weder deinen Nachruf beschmutzen noch unsere Tierschutzarbeit gefährden.

 

Berti, du bist, ohne es zu wissen, zu einem Mahnmal geworden. Und beileibe kein vergessener Hund mehr. Du hast die Menschen ins Herz getroffen, hast ganz sicher ein Leuchtfeuer entzündet für all deine Hundekollegen, die noch da sind und unsere Hilfe brauchen. Denn eines werden wir (obwohl das an mancher Stelle gern gesehen würde) ganz sicher NICHT tun: Aufgeben.

 

Dein tragischer, unnötiger Tod hat uns bis ins Mark erschüttert. Wir werden in deinem Sinne weiter verbissen um all die anderen Bertis kämpfen, die dringend auf Hilfe warten. Wer nicht kämpft, hat schon verloren, sagt man. Wir versprechen dir, dass wir niemals aufgeben, auch wenn das bedeutet, dass wir manchmal scheitern werden.

Ciao Berti, du bist jetzt frei, jenseits von Einsamkeit, Krankheit und Schmerz. Machs gut! Wir werden dich niemals vergessen.


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